Vorsicht Ostwind

Getreidemarkt Die Schwarzmeerstaaten haben ein großes Produktionspotenzial für Getreide. Das haben sie 2016 bewiesen. Für 2017 stehen die Vorzeichen ebenfalls gut. Deutsche Ackerbauern werden mit der osteuropäischen Konkurrenz zu kämpfen haben.

Schon in der laufenden Saison sorgten die guten Getreideernten in den Schwarzmeerstaaten wie Russland, Kasachstan und Ukraine für einen gehörigen Preisdruck auf den Exportmärkten der EU. Könnte dies in den nächsten Jahren zu einem Dauerzustand werden? Immerhin sprechen die derzeitigen Witterungsbedinungen für die kommende Ernte 2017 erneut für gute Hektarerträge. Doch die Schwarzmeerstaaten sind auch anfällig, weiß Expertin Stefanie Strebel, Geschäftsführerin bei KS Agrar.

Die guten Weizenernten 2016 in den Schwarzmeerstaaten führten zu einer verstärkten Konkurrenz zum Beispiel für EUWeizen. Wird das Exportangebot dieser
Länder in den kommenden Monaten abnehmen?

Strebel: Der Markt hofft aktuell auf ein
Nachlassen der Schwarzmeerexporte im Februar aufgrund von Behinderungen durch Eis. Im letzten Jahr waren jedoch keine massiven Behinderungen zu verzeichnen.

Aus Russland sind bereits gut 40 Prozent der erwarteten Exporte und aus der Ukraine knapp zwei Drittel verladen.

Die russischen Getreide-Exporte starteten verhalten in das neue Jahr, konnten zwischenzeitlich
jedoch den Rückstand zum Vorjahr
aufholen. Da in diesem Jahr die Exportmenge um 4,5 Mio. t über dem Vorjahr rangiert, wird Russland länger am Markt sein als 2015/16.

Der Ausbruch der Afrikanischen
Schweinepest in Russland könnte jedoch wegen Quarantäneauflagen zwei Schwarzmeerhäfen behindern. Die beiden Häfen zeichnen für 9 Prozent der Exporte der laufenden Saison verantwortlich.

Die ukrainischen Weizenexporte laufen
aktuell schneller als im Vorjahr. Empfänger sind unter anderem Indien, Bangladesch, Indonesien, die Philippinen, Libyen und Libanon. Die Exporte in Richtung EU dagegen hinken hinterher.

Hat die EU aufgrund des schwachen Euros nicht Vorteile?
Strebel: Die EU hatte Mitte Dezember 11,1 Mio. t Weizen exportiert. Geplant sind für 2016/17 rund 25 Mio. t. Das sind also bereits 44 Prozent. Es verbleiben für die laufende Saison noch Exporte von rund 13,9 Mio t. Daher sollte die Konkurrenz aus der Schwarzmeerregion zwar weiter
vorhanden sein, die Exporte aus der EU sollten sich jedoch relativ problemlos platzieren lassen, gerade bei dem aktuell schwächeren Euro und festeren Rubel.

Wie sehen die Aussaatflächen in den Schwarzmeerländern für 2017 aus?

Strebel: Bei der Wintergetreideaussaat in Russland erwarten Analysten ein Anwachsen um rund 1,1 Mio. ha auf 17,4 Mio. ha. Das wäre die größte Fläche seit 2009. 86 bis 87 Prozent davon entfallen auf Weizen. Die gesamte Weizenanbaufläche inklusive Sommerweizen lag laut US- Agrarministerium in 2016/17 bei 26,9 Mio. ha, bei einem durchschnittlichen Hektarertrag von 2,8 t/ha. Prognosen für 2017/18 gibt es bislang keine. Der bisherige Witterungsablauf ist aber sehr positiv. Bei normalen Voraussetzungen rechnen wir mit einer weiteren Steigerung der Produktion in Russland auf circa 74 bis 76 Mio. t Weizen zur Ernte 2017, also ein Plus von 2 bis 4 Mio. t gegenüber 2016. Die Winterweizenaussaat in der Ukraine lief nach anfänglich zu trockenen Bedingungen durchschnittlich. Analysten prognostizieren für 2017/18 eine Gesamtweizenproduktion in der Ukraine von 25,2 Mio t, in der Spanne von 19,7 bis 28 Mio. t. Zum Vergleich: In der laufenden Saison 2016/17 stehen 27 Mio. t Weizen zur Verfügung. Regional wurde von heftigen Regenfällen im Oktober mit Schäden an den Saatenbeständen berichtet. Temporär waren auch sehr niedrige Temperaturen verzeichnet worden. Profitieren könnten davon die Ölfrüchte, allen voran die Sonnenblumen, die im April und Mai gesät werden.

Erwarten Sie für 2017 und kommende Jahre ähnlich gute Getreideernten wie 2016?
Strebel: Ja. Beide Länder haben mittelfristig eine deutliche Produktionssteigerung als Primärziel in Aussicht gestellt. Gerade für die Ukraine trägt der Agrarsektor massiv zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und hat damit für die Regierung Priorität. Die Agrarexporte führen wertmäßig die Exportstatistiken an. Im Jahr 2015 lag der Anteil der Agrargüter an den Gesamtexporten bei 38,2 Prozent. Die Politik des
ukrainischen Agrarministeriums wird als verstärkt unternehmer- und exportorientiert bezeichnet. Das Wachstumspotenzial der ukrainischen Agrarproduktion ist allgemein als hoch einzustufen. Auch Putin hat eine klare Agrarstrategie. Die russische Landwirtschaft profitiert von den Handelsembargos. Die Produktionssteigerungen betreffen alle Bereiche der Landwirtschaft. Drei Viertel der russischen Getreide- und Sonnenblumenproduktion stammt von großen Agrarholdings, welche ausreichendes Fachwissen haben und die nationalen Förderprogramme optimal nutzen können. Aktuell beeinträchtigt der stockende Ausbau der Infrastruktur und die hohen Kreditzinsen die wirtschaftlichen
Dynamik des Landwirtschaftssektors in beiden Ländern.

Könnte 2017 ein ähnliches Exportvolumen zur Verfügung stehen wie 2016 und damit den deutschen Bauern die Weizen- und Gerstenpreise kaputtmachen?

Strebel: Wir erwarten ein ähnlich großes Exportvolumen auch in der Kampagne 2017/18, sofern nicht massive Wetterereignisse die Ernten einschränken. Jedoch machen diese unseres Erachtens den deutschen Bauern nicht die Weizen- und Gerstenpreise kaputt. Wichtig ist immer die globale Betrachtung der Angebots- und Nachfragesituation. Die Preise orientieren sich stark an der Chicagoer Leitbörse CBoT, welche in erster Linie die Situation der US-Exportwirtschaft beziehungsweise Versorgungs- und Verbrauchssituation widerspiegelt. Starken Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Agrarrohstoffe haben auch die Devisenkurse.

Wie groß ist in diesen Ländern die Gefahr von Wetterrisiken?
Strebel: Die Landwirtschaft in der Ukraine ist geprägt von langen, kalten Wintern, einem späten Vegetationsbeginn und oft trockenen Bedingungen im Mai/Juni. Dadurch ist die Ukraine anfällig für Auswinterungsschäden und schwierige Aufwuchsbedingungen im Frühjahr. Die landwirtschaftlich dominierenden Regionen Russlands weisen kontinentales Klima mit langen, kalten Wintern und kurzen, heißen Sommern auf. Dadurch entfällt ein großer Teil des Anbaus auf Sommerkulturen. Aufgrund der kurzen Vegetationsphase ist das Ertragspotenzial der Flächen eingeschränkt und die Anfälligkeit für Schäden aufgrund Trockenheit ist hoch. Dies spiegelt sich auch in den unsteten Produktionsmengen dieser Länder in den letzten Jahrzehnten wider.

Wie schätzen Sie die Produktionspotenziale von Russland und der Ukraine im Getreidesektor ein?
Strebel: Wir erwarten in den nächsten Jahren, abgesehen von extremen Wetterphänomenen, eine kontinuierliche Steigerung der Produktionsmengen und Exportpotenziale, vor allem für Russland. Es bestehen weitreichende Förderprogramme für die Landwirtschaft, zum Beispiel um Brachflächen in Nutzung zu bringen oder Kreditzinsen zu verbilligen. In Russland werden aktuell erst 13 Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt, jedoch liegen etwa 55 Prozent der weltweiten Schwarzerdeböden in Russland. Der Klimawandel dürfte zudem weitere Flächen, in Produktion bringen, die bisher nicht genutzt werden können. Die Ukraine hat noch größere wirtschaftliche Probleme, die die Produktion beschränken. Die Grundvoraussetzungen sind jedoch auch hier gegeben, um die Produktionen zu steigern.

Wo haben diese Länder konkret Schwächen ?
Strebel: Die Schwächen dieser Länder liegen aktuell in der schlecht ausgebauten Infrastruktur, den hohen Kreditzinsen und der somit schwachen Liquiditätsausstattung der Betriebe für Investitionen und Betriebsmittel. Des weiteren haben diese Länder mit Korruption und Rechtsunsicherheit zu kämpfen, was Investitionen, auch von ausländischem Kapital in diese Märkte hemmt. Darüber hinaus ist die Flächenproduktivität der Länder durch den Mangel an guten Betriebsmitteln und das fehlende Know-how der Arbeiter und Landwirte
vergleichsweise niedrig. Auch die kürzere und unsichere Vegatationszeit durch das kontinental geprägte Klima sind als Schwäche zu nennen.
Im tierischen Bereich sind vor allem die fehlende Liquidität und das fehlende Know-how die beschränkenden Faktoren. In der Transformationsphase in den 90er-Jahren wurden die Tierzahlen aufgrund dessen stark reduziert und konnten sich seither nicht wieder erholen. Nur Russland hat inzwischen die Schweineproduktion steigern können.

In vielen Punkten ist Deutschland doch besser aufgestellt?
Strebel:
Die Stärken Deutschlands liegen unter anderem in der extrem hohen Flächenproduktivität. Wir produzieren beispielsweise im Schnitt etwa 8 t Weizen pro Hektar, der globale Durchschnitt liegt bei 3,3 t. Wir haben ideale klimatische Voraussetzungen und sehr gute Böden. Darüber hinaus verfügen wir über exzellent ausgebildete Betriebsleiter, niedrige Finanzierungskosten, eine hervorragende Infrastruktur und stabile politische Verhältnisse, die für Rechtssicherheit sorgen.

Machen wir unsere Stärken durch eine landwirtschaftsfeindliche Politik sogar kaputt?
Strebel: Die gesellschaftliche Skepsis an moderner Landwirtschaft macht es unseren Landwirten schwer. Neben der moralischen Geringschätzung der hervorragenden Arbeit unserer Landwirte, resultieren hieraus falsche politische Weichenstellungen, zum Beispiel bei Neuzulassungen von Pflanzenschutzmitteln, der Düngeverordnung, hohe bürokratische Auflagen etc. Dies hemmt Investitionen in die Landwirtschaft und verringert so unseren technologischen Vorsprung gegenüber anderen Produktionsländern. Die Schwächen Deutschlands sind die im internationalen Vergleich sehr hohen Flächenkosten. Bei uns kostet die landwirtschaftliche Fläche im Schnitt circa 20.000 Euro/ha. In Russland beispielsweise kann man dagegen Flächen für 500 bis 1.000 Euro/ha kaufen.

Wie stark sind Russen und Ukrainer in der Bioproduktion?
Strebel: In der Ukraine spielt Ökölandbau bislang noch eine untergeordnete Rolle, nimmt jedoch stetig an Bedeutung zu. Auf etwa 400.000 ha werden von 400 Betrieben ökologische Produkte nach internationalen Standards produziert, vorrangig für den Export. Der Fokus liegt hier auf Getreide, Bohnen und Ölsaaten. In Russland sind die Bedingungen besonders gut, weil es circa 40 Mio. ha Nutzfläche gibt, auf denen seit mindestens zwanzig Jahren weder Herbizide, Pestizide noch künstliche Dünger ausgebracht worden sind. Die derzeitige Ökolandbaufläche
liegt bei 43,1 Mio. ha.

Heißt das, die Forderung grüner Agrarminister nach mehr Ökolandbau, werden die deutschen Biobauern mittelfristig schmerzhaft büßen müssen?
Strebel: Ich kann mich nur klar gegen den politischen Irrweg der Agrarwende aussprechen. Bioproduktion ist flächenintensiver und arbeitsintensiver als konventionelle Landwirtschaft. In beiden Faktoren sind wir aber teurer als die Konkurrenz aus dem Ausland. Die Bioproduktion wird also verstärkt in solche Länder wandern. Nicht umsonst hat sich Russland im Dezember 2015 als Ziel gesetzt, der größte Produzent biologischer Lebensmittel weltweit zu werden. Wenn wir auf vermehrte Bioproduktion setzen, verspielen wir unsere Stärken der
Flächenproduktivität, exzellente Betriebsmittel, modernstes Produktions-Knowhow etc., die uns international wettbewerbsfähig machen. Das wäre fatal.

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Bauern als Kaufleute und Spekulanten

Vortrag: Experte Lars Kuchenbuch erklärt, welche Risiken an der Warenterminbörse auf Landwirte lauern Münchberg– Mit Interesse und vielfach ungläubigem Staunen nahmen die etwa 200 Mitglie­der der Raiffeisen-Trocknungs­ genossenschaft Münchberg und  Umgebung den Vortrag „Warenterminbörse eine Möglichkeit der Preissicherung auch für Landwirte” von Lars Kuchenbuch auf. Der Ge­schäftsführer von KS-Agrar GmbH, bei der Deutschen Bank zum Finanzassistenten ausge­bildet, kennt dieses Metier ge­nau. Als Abwickler bei Soufflet Negoce S.A. in Frankreich, bei der CGB in Mount Vemon (USA) sowie als Telefonhändler bei Tenco an der größten Wa­renterminbörse der Welt, der Chicago Board of Trade (CBoT), kennt er alle Unwägbarkeiten bei diesem Geschäft genau. Fast rund um die Uhr wird an den Börsen- weltweit mit Weizen und Soja gehandelt. Allein in Chicago werden im Jahr 600 Millionen Kontrakte mit jeweils Hundert Tonnen pro Kontrakt gehandelt. Das er­rechnete Handels-volumen be­trägt hier 60 Milliarden Ton­nen, bei einer Weltproduktion von jährlich zwei Milliarden Tonnen Getreide und 400 Mil­lionen Tonnen Ölsaaten. ,,Dies bedeutet, dass die Welternte volumenmäßig 25 Mal gedreht wirdl”. Innerhalb eines Tages, so der Experte, gingen mehr als 1400 Meldungen aus dem Agrarbereich über den Ticker, viele von ihnen können zu Preisschwankungen führen. Gründe dafür seien die Freigabe der Märkte (weniger Staat, mehr Markt), die Zunahme der Produktivität in den ehemali­gen Oststaaten, Verschiebun­gen in der Angebots- und Nachfrage-Situation, geplanter Wegfall von Exporterstattungen, Veränderungen der lnter­ventionskriterien, die Nachfra­ge nach erneuerbaren Energien, Spekulationen von Marktteil­nehmern, Strukturveränderungen bei den landwirtschaftli­chen Betrieben, Investment­ banken als Anleger und nicht zuletzt die Wetterkapriolen, die in den vergangenen Jahren ständig zunahmen.  Dadurch, so der Referent weiter, seien auch die Marktpreise beein­ flusst worden. Am Beispiel des Brotweizens machte Kuchenbuch die Risiken für den Landwirt deutlich. In den vergangenen Jahren ha­be sich hier der Preis zwischen 100 und 120 Euro für eine Ton­ne bewegt. Bis Ende September stieg er auf 300 Euro an, um dann bis zum November wie­ der abzubröckeln. Die Meldung ,,in Argentinien könnten even­tuell Frostschäden zu Ernteaus­fällen führen” ließ den Kurs des Weizens wieder ansteigen. Des­halb müsse sich der Bauer fra­gen, ob er eventuell mJt 230 Euro verkauft, oder wartet, um dann eventuell mit 260 Euro verkaufen zu können und sich dann schließlich mit 180 Euro zufrieden geben müsse. ,,Der Bauer ist vom Tag des Saatgut­ kaufs bis zum Zeitpunkt des Verkaufs ein Spekulant”, so der Referent. Auch innerhalb der EU müs­se man sich jedes Jahr auf neue Warenströme einrichten. So hatten die Bauern in den neu­en Ländern befürchtet, dass die Polen mit ihrem EU-Beitritt ihren Markt mit Getreide über­ schwemmen würden, dann sei es aber ganz anders gekommen. ,,Die Polen kauften das Getrei­de in Deutschland.” Wie unberechenbar die Märkte seien, zei­ge die Tatsache, dass die USA dieses Jahr erstmals 25000 Tonnen EU-Weizen in Deutschland kauften. ,,So etwas hat es noch nie gegeben.” Der Landwirt müsse deshalb wie ein Kauf­mann denken, Preisrisiken ab­ sichern und das Gefühl für den richtigen Verkaufszeitpunkt ha­ben, sonst könne die Arbeit für ein ganzes Jahr umsonst gewe­sen sein.

Wackeln im Sturm

Wetterkapriolen und die Launen der Terminhändler lassen die Rendite einer Anlage in Agrarrohstoffe stark schwanken Wenn Anleger in Agrarrohstoffe investieren, liegen Freud und Leid oft nah beieinander. Wäh­rend der Preis für Zucker sich seit Jahres­anfang verdoppelt hat, sind Mais und Weizen nach zwischenzeitlichen Preis­ anstiegen rund 20 Prozent ins Minus ge­rutscht. Ungewöhnlich ist das nicht, die Preise für Agrarrohstoffe schwanken stärker als etwa Aktienkurse. Beispiel Mais: Bauern in den USA haben in die­sem Jahr offensichtlich deutlich mehr Mais angebaut, als die Märkte erwartet hatten. Außerdem verspricht die Wetterlage bislang gute Ernteerträge. Deshalb der Preisrutsch. Das Blatt könnte sich allerdings schon bald wieder wenden: ,,Ein Kälteeinbruch in den USA im Sep­tember würde die Ernte dezimieren und die Preise entsprechend steigen lassen”, sagt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten empfehlen Anlageberater gern, Roh­stoffe als alternative Investments zu Aktien und Renten im Portfolio stärker zu gewichten. Gerade bei zunehmenden In­flationssorgen sollen Sachwerte das Vermögen vor Geldentwertung schützen. Neben klassischen Rohstoffinvestments wie Industriemetallen geraten dabei auch immer wieder Agrargüter ins Blickfeld. Dazu zählen Ausgangspflanzen für Grundnahrungsmittel wie Weizen, Mais, Raps und Soja. Hinzu kommen Genuss­ mittel wie Kaffee, Kakao und Zucker. Wer sich solche Rohstoffe ins Portfolio legt, kauft sich damit allerdings einen nervenaufreibenden Inflationsschutz ein. Und selbst wenn er die Achterbahn fahrt der Agrarpreise über längere Zeit durchhält, wird er nicht automatisch be­lohnt. Anleger, die etwa zu Beginn des neuen Jahrtausends in einen Korb aus Agrarrohstoffen investiert haben, liegen heute mit rund 30 Prozent im Minus. Wer zwei Jahre später eingestiegen ist, schreibt immerhin eine schwarze Null. Im selben Zeitraum haben die Preise von Industriemetallen um fast 200 Pro­zent zugelegt. ,,Dafür war vor allem der Strukturwandel in China verantwort­lich”, sagt Fritsch. Ähnliche strategische Szenarien entwerfen Anlageberater auch für die Agrarrohstoffe: Ein Anstieg der Weltbevölkerung bei gleichzeitig be­grenzten Anbauflächen könnte die Preise für Agrarrohstoffe steigen lassen. Hinzu käme ein wachsender Lebensstandard in den Schwellenländern mit einem größe­ren Bedarf an landwirtschaftsintensiven Produkten wie Fleisch und Milch. ,,Bis­ lang haben solche Entwicklungen die Preise auf den Agrarmärkten aber nicht nachhaltig steigen lassen. Daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern”, sagt Martin Rares, Analyst beim Agrarmakler KS Agrar (siehe Interview). Von Fortschritten in der Produktions­ technologie können Anleger profitieren, wenn sie zum Beispiel Agrarfonds kau­fen. Denn diese investieren meist nicht in die Rohstoffe, sondern in Unterneh­men der Nahrungsmittelproduktion. Ge­rade diese könnten vom wachsenden Nahrungsmittelbedarf profitieren. So beteiligt sich der Fonds Invest Global Agribusiness der Deutsche-Bank Tochter DWS weltweit an Unternehmen, die zum Beispiel Saatgut oder Düngermittel herstellen: ,,Wir investieren entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Agrarmarkts”, sagt Fondsmanager Ralf Oberbannscheidt. Dazu zählen für ihn auch Hersteller von Bewässerungsanlagen oder Nahrungsmittelhändler: ,,Wir setzen dabei weltweit auf Unternehmen, die daran arbeiten, Ineffizienzen in der Nahrungsmittelproduktion abzubauen”, so Oberbannscheidt. Im vergangenen Jahr hat der Fonds kräftig Federn lassen müssen, dafür liegt er seit Jahresanfang dank gut gelaufener Blue Chips mit 50 Prozent im Plus. Schließlich bieten auch Aktien einen guten Inflationsschutz. Interview: Saisonverlauf entscheider FTD: Herr Hares, Anleger kennen die Argumentation:Weltbevölkerung und Fleischkonsum wachsen, die Erde bietet nur begrenzten Platz, deshalb werden die Preise für Agrarrohstoffe langfristig steigen. Warum sehen wir davon nichts? Martin Hares: Wegen der steigenden Nachfrage weiten Bauern weltweit ihre Produktion aus, gleichzeitig werden die Anbaumethoden effi-zienter. Gerade in den Schwellen­ ländern schlummern noch deutli­che Reserven. Es ist denkbar, dass die Landwirtschaft die Weltbevöl­kerung eines Tages nicht mehr ernähren kann, absehbar ist eine solche Entwicklung für die kommenden Jahre aber nicht. FTD Zuletzt haben die Preise deutlich nachgegeben, Anfang 2008 gab es Rekordpreise zum Beispiel bei Getreide. Wie kommt es zu solchen Preissprüngen? Hares Agrarmärkte funktionieren allein nach saisonalen Gesichtspunkten. In Abhängigkeit von den Preisen der Vorsaison entscheiden die Landwirte, wovon sie wie viel anbauen. Der Rest hängt von der Wetterlage ab. Längerfristige Prognosen zur Preisentwicklung sind deshalb absolut unmöglich. FTD ,,Gegessen wird immer”, so lautet eine populäre Anlegerregel. Ist die Preisentwicklung tatsächlich unabhängig von der Konjunktur-entwicklung? Hares Bei Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Getreideprodukten sicherlich. Dennoch passen die Menschen ihre Essgewohnheiten an. Sie kaufen zum Beispiel in schlechten Zeiten weniger teure Fleischprodukte. Das belegen weltweit rückläufige Produktionszahlen aus der Veredellungswirtschaft. Ein massives Engagement von Spekulanten und der abrupte Abzug von Kapital in der Krise haben die Konjunkturabhängigkeit noch verstärk. FTD Treibt denn der Biomasse Boom die Preise? Hares Kaum. Die Bedeutung der nachwachsenden Rohstoffe ist weltweit ehr nachrangig. Nur in den USA gibt es bislang einen nennenswerten Maisverbrauch für die Ethanolproduktion. Die anderen Industrienationen halten sich deutlich zurück, entsprechen gering ist der Einfluss der Biomasse auf die Agrarpreise. Daran dürfte sich auch so schnell nichts ändern. Denn die Staaten werden andernfalls eingreifen, um Nahrungsmittel günstig zu halten.

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