Wackeln im Sturm

Wetterkapriolen und die Launen der Terminhändler lassen die Rendite einer Anlage in Agrarrohstoffe stark schwanken

Wenn Anleger in Agrarrohstoffe investieren, liegen Freud und Leid oft nah beieinander. Wäh­rend der Preis für Zucker sich seit Jahres­anfang verdoppelt hat, sind Mais und Weizen nach zwischenzeitlichen Preis­ anstiegen rund 20 Prozent ins Minus ge­rutscht. Ungewöhnlich ist das nicht, die Preise für Agrarrohstoffe schwanken stärker als etwa Aktienkurse. Beispiel Mais: Bauern in den USA haben in die­sem Jahr offensichtlich deutlich mehr Mais angebaut, als die Märkte erwartet hatten. Außerdem verspricht die Wetterlage bislang gute Ernteerträge. Deshalb der Preisrutsch. Das Blatt könnte sich allerdings schon bald wieder wenden: ,,Ein Kälteeinbruch in den USA im Sep­tember würde die Ernte dezimieren und die Preise entsprechend steigen lassen”, sagt Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten empfehlen Anlageberater gern, Roh­stoffe als alternative Investments zu Aktien und Renten im Portfolio stärker zu gewichten. Gerade bei zunehmenden In­flationssorgen sollen Sachwerte das Vermögen vor Geldentwertung schützen. Neben klassischen Rohstoffinvestments wie Industriemetallen geraten dabei auch immer wieder Agrargüter ins Blickfeld. Dazu zählen Ausgangspflanzen für Grundnahrungsmittel wie Weizen, Mais, Raps und Soja. Hinzu kommen Genuss­ mittel wie Kaffee, Kakao und Zucker. Wer sich solche Rohstoffe ins Portfolio legt, kauft sich damit allerdings einen nervenaufreibenden Inflationsschutz ein. Und selbst wenn er die Achterbahn fahrt der Agrarpreise über längere Zeit durchhält, wird er nicht automatisch be­lohnt. Anleger, die etwa zu Beginn des neuen Jahrtausends in einen Korb aus Agrarrohstoffen investiert haben, liegen heute mit rund 30 Prozent im Minus. Wer zwei Jahre später eingestiegen ist, schreibt immerhin eine schwarze Null.

Im selben Zeitraum haben die Preise von Industriemetallen um fast 200 Pro­zent zugelegt. ,,Dafür war vor allem der Strukturwandel in China verantwort­lich”, sagt Fritsch. Ähnliche strategische Szenarien entwerfen Anlageberater auch für die Agrarrohstoffe: Ein Anstieg der Weltbevölkerung bei gleichzeitig be­grenzten Anbauflächen könnte die Preise für Agrarrohstoffe steigen lassen. Hinzu käme ein wachsender Lebensstandard in den Schwellenländern mit einem größe­ren Bedarf an landwirtschaftsintensiven Produkten wie Fleisch und Milch. ,,Bis­ lang haben solche Entwicklungen die Preise auf den Agrarmärkten aber nicht nachhaltig steigen lassen. Daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern”, sagt Martin Rares, Analyst beim Agrarmakler KS Agrar (siehe Interview). Von Fortschritten in der Produktions­ technologie können Anleger profitieren, wenn sie zum Beispiel Agrarfonds kau­fen. Denn diese investieren meist nicht in die Rohstoffe, sondern in Unterneh­men der Nahrungsmittelproduktion. Ge­rade diese könnten vom wachsenden Nahrungsmittelbedarf profitieren. So beteiligt sich der Fonds Invest Global Agribusiness der Deutsche-Bank Tochter DWS weltweit an Unternehmen, die zum Beispiel Saatgut oder Düngermittel herstellen: ,,Wir investieren entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Agrarmarkts”, sagt Fondsmanager Ralf Oberbannscheidt. Dazu zählen für ihn auch Hersteller von Bewässerungsanlagen oder Nahrungsmittelhändler: ,,Wir setzen dabei weltweit auf Unternehmen, die daran arbeiten, Ineffizienzen in der Nahrungsmittelproduktion abzubauen”, so Oberbannscheidt. Im vergangenen Jahr hat der Fonds kräftig Federn lassen müssen, dafür liegt er seit Jahresanfang dank gut gelaufener Blue Chips mit 50 Prozent im Plus. Schließlich bieten auch Aktien einen guten Inflationsschutz.

Interview: Saisonverlauf entscheider

FTD: Herr Hares, Anleger kennen die Argumentation:Weltbevölkerung und Fleischkonsum wachsen, die Erde bietet nur begrenzten Platz, deshalb werden die Preise für Agrarrohstoffe langfristig steigen. Warum sehen wir davon nichts?

Martin Hares: Wegen der steigenden Nachfrage weiten Bauern weltweit ihre Produktion aus, gleichzeitig werden die Anbaumethoden effi-zienter. Gerade in den Schwellen­ ländern schlummern noch deutli­che Reserven. Es ist denkbar, dass die Landwirtschaft die Weltbevöl­kerung eines Tages nicht mehr ernähren kann, absehbar ist eine solche Entwicklung für die kommenden Jahre aber nicht.

FTD Zuletzt haben die Preise deutlich nachgegeben, Anfang 2008 gab es Rekordpreise zum Beispiel bei Getreide. Wie kommt es zu solchen Preissprüngen?

Hares Agrarmärkte funktionieren allein nach saisonalen Gesichtspunkten. In Abhängigkeit von den Preisen der Vorsaison entscheiden die Landwirte, wovon sie wie viel anbauen. Der Rest hängt von der Wetterlage ab. Längerfristige Prognosen zur Preisentwicklung sind deshalb absolut unmöglich.

FTD ,,Gegessen wird immer”, so lautet eine populäre Anlegerregel. Ist die Preisentwicklung tatsächlich unabhängig von der Konjunktur-entwicklung?

Hares Bei Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Getreideprodukten sicherlich. Dennoch passen die Menschen ihre Essgewohnheiten an. Sie kaufen zum Beispiel in schlechten Zeiten weniger teure Fleischprodukte. Das belegen weltweit rückläufige Produktionszahlen aus der Veredellungswirtschaft. Ein massives Engagement von Spekulanten und der abrupte Abzug von Kapital in der Krise haben die Konjunkturabhängigkeit noch verstärk.

FTD Treibt denn der Biomasse Boom die Preise?

Hares Kaum. Die Bedeutung der nachwachsenden Rohstoffe ist weltweit ehr nachrangig. Nur in den USA gibt es bislang einen nennenswerten Maisverbrauch für die Ethanolproduktion. Die anderen Industrienationen halten sich deutlich zurück, entsprechen gering ist der Einfluss der Biomasse auf die Agrarpreise. Daran dürfte sich auch so schnell nichts ändern. Denn die Staaten werden andernfalls eingreifen, um Nahrungsmittel günstig zu halten.

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