Das genaue Gegenteil von Spekulation

Aktienbörsen sind zum Spekulieren da und sind daher nichts für solide Bauern und Landhändler. Ganz anders ist dies bei Warenterminbörsen. Wie man sich dort gegen Preisschwankungen auf den Agrarmärkten absichern kann, erklärte Börsenexperte Lars Kuchenbuch in Seminaren des Verbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (VdAW) e. V.

Wenn sie den Begriff Börse hören, denken viele Menschen sogleich an spekulierende Händler, die durch riskante Geschäfte Unsummen in den Sand setzen. Weniger bekannt ist hingegen die Möglichkeit, durch Börsengeschäfte den eigenen Handel langfristig abzusichern. Das ist auch vielen Landwirten und Landhändlern nicht bewusst. Allerdings ist für die meisten von ihnen eine Beteiligung an Agrarbörsen auch bisher kein Thema gewesen. Denn bei den jahrelang konstanten und vor allem konstant niedrigen Getreidepreisen schien eine Preisabsicherung schlichtweg nicht lohnend. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die EU hat 2006 und 2007 ihre Interventionsbestände abgebaut. Die Getreidevorräte sind weltweit auf einem historischen Tiefstand. Im vergangenen Jahr kannten die Preise für Agrarrohstoffe vor allem eine Richtung: Nach oben. Sie schossen in ungeahnte Höhen. Auch für die neue Ernte darf man gespannt sein. Selbst wenn nicht jedes Erntejahr so wie 2007 verlaufen sollte, ist es mit der Ruhe auf den Agrarmärkten wohl allenthalben vorbei — und zwar mindestens bis 2010.

Die Agrarmärkte werden weiterhin schwanken

Lars Kuchenbuch vom Agrar-Dienstleister KS Agrar GmbH, Mannheim, vertritt diese Meinung und kann sie auch begründen: „Die Getreidelager sind weltweit geräumt und wir haben kaum noch Reserven. Selbst wenn wir zwei Rekordernten in Folge einfahren, werden die Rohstoffe erst mal sehr gefragt sein, da wir keine Rücklagen haben. Dem knappen Angebot steht andererseits eine große Nachfrage gegenüber, denn wir verbrauchen mehr, als wir produzieren.“ Er geht davon aus, dass die Preise im Agrarhandel in den kommenden zwei Jahren extrem schwanken, sich aber weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen werden. Doch die Preise können nicht nur hoch steigen, sondern auch tief fallen. Diesen Vorgang beschreibt Kuchenbuch mit dem Begriff „volatil“: „Die Volatilität bezeichnet das Auf und Ab von Marktpreisen in einem bestimmten Zeitraum. Je stärker die Preise vom Durchschnittspreis abweichen, desto höher ist die Volatilität,“ so der Marktexperte. Warum soll man sich jedoch dieser schwankenden Marktentwicklung aussetzen? Gerade weil die Märkte so unruhig sind, ist die Börse sinnvoll, um sich abzusichern, lautet das Credo Kuchenbuchs.

Er empfiehlt dafür den Handel mit Warenterminkontrakten, den sogenannten Futures. Sie haben ihren Namen vom englischen Wort für Zukunft: Future. An der Börse steht diese Bezeichnung daher für Kontrakte mit Preisen, die für Monate in der Zukunft gehandelt werden. Der Preis für die Futures wird auf dem Börsenparkett oder elektronisch ermittelt. Die Kontrakte enthalten Übereinkünfte zur Lieferung oder Abnahme einer festgelegten Warenmenge zu einem bestimmten Monat. Sie unterscheiden sich von Geschäften am physischen Markt, wo die Ware sofort gehandelt wird. Die Futures sind im Hinblick auf Preis, Qualität und Menge sowie Liefer- oder Abnahmeort standardisiert. Um an der Börse gehandelt zu werden, muss die Ware vorgeschriebenen Qualitätsparametern entsprechen. Beim Raps verlangt die Börse Euronext in London / Paris beispielsweise 00-Raps mit 40 Prozent Öl und neun Prozent Feuchtigkeit. Diese Waren, die mit einer genau festgelegten Spezifikation an der Terminbörse gehandelt werden, nennt man Commodities.

Börsenkontrakte werden meist zurückgehandelt

Der Unterschied zum physischen Markt ist, dass an der Warenterminbörse die im Kontrakt vereinbarte Ware nicht geliefert wird, sondern die Kontrakte vor Fälligkeit meistens wieder zurückgehandelt werden. Das heißt, das Getreide wird meist nicht irgendwohin hingeliefert, sondern es wird in einem anderen Warentermingeschäft wieder zurückgekauft. Es soll lediglich als ergänzende Absicherung des physischen Geschäftes dienen. Wenn ein Landhändler etwa im Frühjahr Platz für Dünger schaffen muss, im Lagerraum aber noch Weizen liegt, kann er diesen erstmal am physischen Markt verkaufen. Ist der Händler der Meinung, dass der Weizenpreis noch weiter steigen wird, kann er genau die Menge, die er am physischen Markt verkauft hat, am Terminmarkt wieder einkaufen — mit einem Future, der den gleichen Preis hat. Nun verfügt der Landhändlerwieder über den Weizen, jedoch nur auf dem Papier. Allerdings hat er für seinen Dünger Platz geschaffen. Steigt der Preis nun, kann der Landhändler die Ware, die er auf dem Papier besitzt, gewinnbringend am Terminmarkt verkaufen. Fällt der Preis, bekommt der Landhändler bei Fälligkeit der Kontrakte weniger Geld. Hätte er die physische Ware behalten und der Preis wäre gesunken, hätte er auch weniger bekommen. Damit hat er zwar keinen Gewinn gemacht, allerdings auch keinen Verlust. Und er hat zudem eine Möglichkeit gefunden, sein Lager leerzubekommen.

Absicherung der Geschäfte durch Hedging

Dieses Absichern durch ergänzende Geschäfte an der Börse nennt man Hedging. Der Begriff leitet sich vom englischen Begriff „to hedge“ ab, der „absichern“ bedeutet. Es hat den Sinn, Verluste am physischen Markt, auch Kassamarkt genannt, durch Gewinne am Terminmarkt auszugleichen. Damit schützt der Marktteilnehmer sich gegen Preisveränderungen. Gleichzeitig geht er bei diesem

Geschäft ein Risiko ein, denn der Preis für das Produkt könnte am physischen Markt noch steigen — er könnte aber auch fallen. Da man nicht in die Zukunft blicken kann, ist der Future-Handel eine Möglichkeit, sich zumindest einen im Moment gut erscheinenden Preis und die Menge zu sichern. Das hat nichts mit Spekulation zu tun, sondern bedeutet eine Absicherung der Produktion mit einem festgelegten Preis, den man sicher in seine Geschäfte einkalkulieren kann. Zudem könnte es sein, dass am physischen Markt derzeit kein Marktpartner vorhanden ist, die Ware also eigentlich nicht liefer- oder abnehmbar ist. Wichtig ist dabei natürlich, dass die Marktteilnehmer, die Terminkontrakte abschließen, genau wissen, was sie im Jahr an Ware brauchen oder verkaufen und welchen Preis sie maximal zahlen können, um am Ende ein betriebswirtschaftliches Plus zu erzielen. Daher ist für eine Beteiligung an der Börse eine gewisse Grundliquidität die Voraussetzung. Ein Terminmarkt wie etwa die Cbot ist dann nützlich, wenn das gehandelte Produkt einer hohen Volatilität unterliegt, sich die Marktteilnehmer jedoch absichern wollen.

Erster Terminmarkt: Chicago in den USA

Erhebliche Preisschwankungen erlebten die Rohstoffmärkte auch in den USA im 19. Jahrhundert. Schon damals suchten Produzenten und Verarbeiter Möglichkeiten, sich gegen diese Volatilität abzusichern. Damals differierte der Brotpreis bis zum fünffachen zwischen erntenahen und erntefernen Zeitpunkten. Im Jahr 1848 gründeten Getreidehändler den Terminmarkt für Agrarprodukte, die Chicago Board of Trade (Cbot). 1865 folgte die Standardisierung der Verträge und die Futures-Kontrakte entstanden. Ebenso wie die Agrarbörsen in Minneapolis und Kansas City ist die Cbot eine Präsenzbörse, die den elektronischen Handel als Ergänzung anbietet. Im Vergleich dazu sind die Börse Euronext, die sich aus der Pariser Börse (Matif) und der Börse in London (Liffe) zusammensetzt, sowie die RMX in Hannover rein elektronische Börsen. Die meisten Handelsfirmen werden durch einen Händler, den sogenannten Broker, an der Börse vertreten.

Prämienkontraktmodell für Landwirte

Zwar sind Börsenkurse für Landwirte und Erfassungshandel eine wichtige Orientierung, da sie Tendenzen und Entwicklungen vorgeben. Jedoch entsprechen sie nicht 1:1 den Preisen, die der Handel vor Ort zahlen kann. Denn es müssen auch die Transportkosten und eine gewisse Handelsspanne mit eingerechnet werden. Um Anteil an der Entwicklung der Börsenkurse zu haben, können Landwirte Prämienkontrakte mit dem Erfassungshandel abschließen. Dabei wird eine Prämie an den entsprechenden Börsenkurs gekoppelt. Sobald ihm die Notierung der Börsen-Future gut erscheint, legt der Landwirt den Kaufzeitpunkt und den Preis mit dem Erfasser fest. Der Abrechnungspreis für den Landwirt ergibt sich aus dem Börsenkurs und der vereinbarten Prämie. Bei dieser Vorgehensweise muss nur der Landhändler ein Konto an der Börse haben.

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